ROMAN SIGNERPROJET POUR UN JARDIN

ROMAN SIGNERPROJET POUR UN JARDIN

Roman Signer zu Gast mit zwei Aktionen und neuen Werken nach Maß fürs Middelheimmuseum

Vom 29. Oktober 2016 bis zum 2. April 2017 können Sie das eigensinnige Oeuvre des Schweizer Künstlers Roman Signer kennenlernen, des Bildhauers, der auf einzigartige Art und Weise Poesie, Wissenschaft und Aktion in seinem Werk vereinigt.

‘Projet pour un jardin’ verbindet das Werk, das Roman Signer früher und jetzt in Zusammenarbeit mit dem Middelheimmuseum ausführte. Waren die Kollaborationen früher Teil eines Gruppengeschehens, geht er jetzt solo ans Werk. Der Künstler überrascht mit zwei Aktionen im Braem-Pavillon und um ihm herum. Darüber hinaus erstellte er ein neues permanentes Werk nach Maß des Middelheimmuseums.

 

Signer & Middelheim, eine starke Kombination

Im Middelheimmuseum spielen Zeit und Umgebung eine intensivere Rolle als in einem herkömmlichen Museum. Sich veränderndes Licht, das Vorübergehen der Jahreszeiten, der Dialog mit Werken, die weiter weg stehen, das Verhältnis der Landschaft gegenüber der Kunst, die in ihr steht. Das sind Elemente, mit denen alle Künstler im Middelheimmuseum konfrontiert werden, aber nicht jeder geht mit diesem Bezugswert an die Arbeit. Bei Roman Signer machen Zeit und Umgebung den Kern seines Oeuvres aus. In dieser Hinsicht ist sein Werk ein perfektes Match mit dem Middelheimmuseum.

Das Werk von Roman Signer ‚lesen’, kann für einen zufälligen Besucher schwierig scheinen. Und sogar für Kenner von Signers Werk ist ‚Bidon Bleu’, das seit 2012 zur ständigen Sammlung gehört, ein atypisches Werk. Ein Werk, das aufgrund seines monumentalen Charakters nicht so oft mit den bekanntesten Elementen aus Signers ‚Body of Work‘ gleichgesetzt wird. Diese Einzelausstellung bietet die Chance, dieses Werk in den Rahmen seines Oeuvres einzuordnen. Das führt ihn immer weiter - die eine Aktion ist eine Vorwärts-Projektion zur folgenden - in einem scheinbar endlos mäandernden Trajekt, sowohl durch beeindruckende natürliche Landschaften als auch durch wiedererkennbare städtische Situationen.

Risiko und Gefahr sind oft Teil von Signers Aktionen, sind aber niemals ein Ziel an sich. Sie sind jedoch diejenigen, die den Ruf des Künstlers festlegen, stehen aber einer poetischen Interpretation seines Werkes meistens im Weg. Der Zuschauer wird oft mit seinem Erwartungsmuster konfrontiert, mit dem, was er sinnvoll findet oder nicht.

‚Projet pour un jardin’ verbindet die internationale Karriere von Roman mit seiner Sesshaftigkeit in Sankt Gallen in der Schweiz, wo er seit 1971 wohnt und arbeitet. ‚Jardin’ verweist auf etwas Häusliches, etwas Persönliches, etwas Vertrautes. Für Signer sind das Sankt Gallen und die natürliche Umgebung, die in seinem Werk und Leben so allgegenwärtig ist. Andererseits ist das Freiluftmuseum ein Garten für viele Stadtmenschen und gleichzeitig öffentliches Gelände. Diese Antwerpener Geschichte verbindet das Lokale mit dem Internationalen und stellt über ‚sein‘ Sankt Gallen eine Verbindung zu allen anderen Locations von Signers Werk weltweit her.

 

Vierte Dimension, zwei Spuren

‚Stopp-Motion: Die Zeit als eine Aufeinanderfolge von Momenten im Kontrast mit dem besonderen Erlebnis von immer einem Moment’. Keine Kunst passt mehr in das Motiv, das das Middelheimmuseum im Jahre 2016 für die vorübergehenden Projekte als das Werk von Roman Signer handhabt. Signer ist nämlich der Bildhauer, der die Dimension ‚Zeit‘ der Bildhauerei hinzugefügt hat.

Signer arbeitet immer nach derselben Struktur, in drei Phasen. Zuerst ist es die Grundform, die das Potential zur Veränderung schon in sich trägt. Jedes Projekt beinhaltet einen Moment der Spannung, einen Augenblick, in dem die Zeit stillzustehen scheint, bevor die Aktion sich vollzieht. Die Aktion, oft vom Künstler selbst angesteuert, ist der Ansatz zur Veränderung, die im Verlauf der Aktion entsteht. Die Spur, der Rest der Aktion, ist das materielle Kunstwerk.

Dynamik und statische Momente, Vergangenheit und Zukunft: Signer betrachtet sie nicht als Gegensätze, sondern als Aspekte ein und desselben Werks. Weil die Phasen deutlich abgetrennt sind und ihre Reihenfolge unveränderlich ist, kann der Prozess auch mental wiederholt werden und daher auch in unserer Fantasie wahrgenommen werden. So zwingt sein Werk die Zuschauer, ihm vom Physischen zum Konzeptuellen zu folgen.

‚Bidon Bleu’, die monumentale Installation, mit der Roman Signer im Jahre 2012 ein permanentes Kunstwerk für das Middelheimmuseum realisierte, ist ein schönes Beispiel dafür. Bei der Aktion (am 26. Mai 2012) warf der Künstler einen blauen, mit Wasser gefüllten Kanister über eine fünfzehn Meter hohe Schanze in den Raum. Das Gefäß öffnete sich spritzend gegen die Rückwand einer Betonkonstruktion. Die Aktion kommt zum Stehen, das Wasser verdampft. Was bleibt, ist die Spur: Das Ergebnis der Aktion, in der Zeit verstummt. Der Zeitverlauf wird mit Erinnerungen an die Aktion bleibend angefüllt, der Suggestion von dem, was gewesen ist‘. Eine zweite Spur ist der Filmbericht, den Signers Ehefrau Aleksandra von jeder Aktionmacht.

 

„Eine Veränderung des Seins fasziniert mich von Anfang bis Ende. So entsteht eine Zeitskulptur” Roman Signer

Für ‚Projet pour un jardin’ bereitet Roman Signer zwei neue Aktionen vor. Eine davon, ‚Haben Sie Angst vor rot, gelb und blau? Ja, ich habe Angst!’, bringt er am Tag der Eröffnung der Ausstellung.

Diese Aktion umfasst Farbbeutel in den Farben rot, gelb und blau, ferngesteuerte Miniaturhelikopter und einen Tisch. Die Farbbeutel werden, mit Signer an der Fernsteuerung, vom Helikopter auf einen Tisch fallengelassen, wo die Farbe eine bleibende Spur hinterlässt.

Die Zeitskulptur, die Erinnerungen an frühere Experimente wie zum Beispiel ‚Kugel mit blauer Farbe’ (Shanghai Biennale 2012) aufruft, wird bei der Ausstellung im Braem-Pavillon aufgestellt. Dort sehen Sie auch die filmische Wiedergabe der Realisierung von ‚Haben Sie Angst vor rot, gelb und blau? Ja, ich habe Angst!’, einen Film mit früheren Aktionen des Künstlers.

Ebenfalls im Braem-Pavillon sehen wir das Ergebnis der Aktion, ‚Spuren’ als vorübergehende Installation. Auch dieses Werk enthält alle Elemente, die für das Oeuvre des Künstlers kennzeichnend sind. In einem Sandteppich sehen wir die Spuren, die Signer, der auf Skiern im Zickzack fuhr, durch ihn zog. Die Strecke endet an einer Skikabine. Keine Spur mehr von Signer, nur seine Skier in der Skikabine. Und die Aufzeichnung der Aktion, auf Film festgelegt.

In dem Video Pendulum (2016), das in einem separaten Raum im Braem-Pavillon aufgestellt ist, sehen wir die Hände des Künstlers, die auf rhythmische Weise einem Eimer entsteigen, der wie ein Pendel hin und her schwingt. Schließlich kommt die Bewegung zum Stillstand, und Eimer und Hände treffen sich doch noch.

 

Mäandern

‚Projet pour un jardin’ ist nicht nur der Name der Ausstellung und des Buches, das darüber erscheint, es ist auch der Titel eines neuen, permanenten Werkes, das Roman Signer speziell nach Maß für das Middelheimmuseum gemacht hat. Das Werk aus Stahl besitzt vier mal acht Meter Grundfläche und ist 130 cm hoch. Es scheint ein Detail eines Labyrinths zu sein und ruft in der Draufsicht Erinnerungen an die im Zickzack fahrende Silhouette aus ‚Spuren’ (2016) wach.

Im ‚Projet pour un jardin’ ist nicht Signer, sondern der Besucher Hauptperson im Experiment. Diese kann den Parcours – wobei es in Draufsicht scheint, als ob der Kopf vom Rumpf getrennt wird – selbst zurücklegen. Größere Menschen müssen hierfür vielleicht in die Knie gehen. Gerade so wie eine Lehre in Bescheidenheit – in Signers Werk ist kein Platz für Macht oder Dominanz – aber möglich ist ein symbolischer Verweis auf ‚den Kopf vom Körper trennen’, das emotionelle Loskoppeln vom Rationalen.

In diesem neuen Projekt beginnt die Zeit zu laufen, sobald jemand den Parcours betritt. Das ergibt eine andere Form von Zeiterlebnis: Die persönliche, körperliche Erfahrung. In dieser Hinsicht ergänzen sich die beiden Werke aus der Sammlung, ‚Bidon Bleu’ und ‚Projet pour un jardin’, gegenseitig aufs Beste: Mit ‚Projet pour un jardin’ als bindendem Element zwischen ‚Bidon Bleu’, dem Park und der Einzelausstellung.

 

Die Skulptur nach Signer

Zu Anfang seiner Karriere in den 1970er Jahren untersuchte Roman Signer mit einer fast wissenschaftlichen Präzision die Visualisierung von Naturerscheinungen. Die Grundeigenschaften von Wasser, Sand und Stein, dreidimensional ausgeführt. Auch damals schon übersetzte er Feuer, Feuerpfeile und Explosionen in flüchtige Darstellungen, oder verwendete ihre Kraft, um Tische, Stühle, Betten, Holzbälle oder blaue Tonnen zu verformen. Weiter auf seiner Liste von Lieblingsrequisiten: Plastikband, Farbe, Lehm und Ton, Papier, Holzpfähle, Skier, ein Kajak, ein Motorroller, ein Ventilator usw. Die Objekte, die er jedes Mal in anderen Kombinationen verwendet, wurden im Laufe der Jahre einer sorgfältigen Auswahl unterzogen.

Mit dieser begrenzten Anzahl von Elementen skulpturiert Signer eine Welt, die den Zuschauer immer wieder erstaunt. Sein Oeuvre liefert einen wichtigen Beitrag zur Tradition der ‚Process Art’, und er schrieb die Definition der Bildhauerei eigenhändig um. Mit den Konzepten ‚Aktion’, ‚Ausbreitung im Raum‘ und ‚Zeit‘ fügte er ihr drei neue Dimensionen hinzu.

Durch sein Oeuvre hin geht er auf ganz unterschiedliche Art und Weise mit Zeit um: ‚Action with a Fuse’ (1989) dauert 35 Tage, das Schlussevent auf der Documenta 8 (1987) nur einige Sekunden. In ‚Vitesse: 2000 mètres/ seconde’ (1992) ist wortwörtlich die Rede von einer enormen Beschleunigung. Aufeinanderfolge, Gleichzeitigkeit, Dauer, das Unmittelbare, Kontinuität, Durchhalten und Rhythmus: Das sind alles Arten, um seinen Bildern Form zu geben.

 

Modus Operandi

Roman Signer kombiniert Naturelemente wie Wasser, Wind, Erde oder Feuer mit einfachen Stützen (Props) wie Feuerpfeilen oder Ballons. Das Ergebnis ist oft überraschend, absurd und poetisch. Wasser ist vielleicht das am meisten vorkommende Element in Signers Werk. Die Faszination für Wasser hat ihn, der an den Ufern eines Flusses aufwuchs, niemals mehr losgelassen. Das ‚Mäander’-Muster eines natürlichen Stroms kommt auch in seinem neuen Werk ‚Spuren’ und ‚Projet pour un jardin’ vor. Seine Nüchternheit in der Materialwahl steht in schrillem Kontrast zur fantasievollen Ausarbeitung seiner Projekte. Er liefert ein Oeuvre, das Trends oder ästhetischen Erwartungen nicht nachgibt.

Obwohl seine Aktionen nicht funktionell sind, spricht aus seinem Oeuvre ein großes Interesse an der Realität außerhalb der Kunstwelt. Seine Aktionen, ohne Funktion, aber nicht ohne Gefahr, können darüber hinaus als Symbole oder Metaphern für eine existentielle Fragestellung gelesen werden: „Ich muss die Konfrontation mit dem Vergänglichen suchen. Vielleicht ist das so, weil ich für die Tragödie, für das Absurde, für die Sinnlosigkeit und Bedeutungslosigkeit empfindlich bin, die wir als Menschen zuwege bringen.” (R.S., Biennale di Venezia, S. 37). Signer setzt trotzdem mit kleinen Dingen etwas in Gang, worüber man ganz breit nachdenken kann, an dem jeder seine oder ihre Geschichte aufhängen kann.

 

Wer ist Roman Signer?

Roman Signer (°1938) wohnt und arbeitet in Sankt Gallen, Schweiz. Sein Werk ist schon mehr als dreißig Jahre in Galerien und Museen in Europa, Nord-Amerika und Asien anwesend und wurde für renommierte Kunstevents wie zum Beispiel die Biennale von Venedig, Documenta 8 in Kassel und Skulptur Projekte Münster ausgewählt. In den vergangenen dreißig Jahren beteiligte er sich an Hunderten von Einzel- und Gruppenprojekten, darunter an der Documenta 8, den Skulptur Projekten Münster und dem Schweizer Pavillon der 48. Biennale von Venedig. Seine Arbeiten wurden in wichtige Sammlungen (allein schon das Kunsthaus Zug hat mehr als neunzig Werke in seinem Besitz) von Tasmanien bis Mexiko aufgenommen. Auch für den öffentlichen Raum – vor allem in der Schweiz – erstellte er verschiedene Werke, wie zum Beispiel ‚Tirsch’ (2008, Appenzell), ‚Koffer’ und ‚Drei Farbkanonen’ in Zürich (beide 2007). Obwohl seine Werke weltweit ausgestellt werden, hat er eine besondere Verbindung zum Kunstmuseum St.Gallen. Dort, in seinem ‚Hinterhof‘, befindet sich ein ansehnlicher Teil seines Oeuvres.

Kontakt
Rafaelle Lelievre Presse und Communication, Middelheimmuseum
Rafaelle Lelievre Presse und Communication, Middelheimmuseum
Über Middelheimmuseum

Das Middelheimmuseum ist eine einzigartige Einrichtung, in dem das Zusammenspiel von Kunst und Natur für besondere Erfahrungen sorgt. Das Freiluftmuseum zeigt moderne und zeitgenössische Kunst in einem grünen Parkumfeld. Werke von – unter anderen – Auguste Rodin, Henry Moore, Rik Wouters, Isa Genzken, Chris Burden, Ana Mendieta, Jean Katambayi, Barbara Hepworth, Bruce Nauman, Germaine Richier, Pascale Marthine Tayou vermitteln einen einzigartigen Überblick über mehr als hundert Jahre bildende Kunst.

Jährlich lädt das Museum bereits berühmte oder viel versprechende Künstler ein. Unabhängig vom „White Cube“ eines Museumssaals treten sie mit den endlosen Möglichkeiten des Parks und der vorhandenen Sammlung in Interaktion. Das stimuliert sie zu neuen Arbeiten speziell für das Middelheimmuseum. Das Museum arbeitete bereits mit u.a. Berlinde De Bruyckere, Kapwani Kiwanga, Camille Henrot, Ulla von Brandenburg, Jeremy Deller, Sammy Baloji, Michel Francois zusammen.

Mit seinen jährlich über 305 000 Besuchern bietet das kostenlose Middelheimmuseum Jung und Alt, Naturfreunden und Experten einen niedrigschwelligen Zugang zur modernen und zeitgenössischen Bildhauerkunst. Kultur und Erholung werden dort optimal miteinander kombiniert.

Middelheimmuseum
Middelheimlaan 61
2020 Antwerpen